Die Vertreter der Medien müssen sich gefühlt haben als würden Weihnachten und Ostern zusammenfallen. Nach viel Kritik an der mehrheitlich linksgrünen deutschen Presse bekam die versammelte Zunft von Präsident Gauck ein dickes Lob. Anlässlich des 60. Jahrestages des Deutschen Presserates hielt das Staatsoberhaupt eine Laudatio. Er predigte gegen die "Medienverächter", die mit dem Vorwurf der "Lügenpresse" nur "Denunziation" betreiben würden. Dabei, so Gauck sei doch die etablierte Presse ein Schatz gegen die "destruktiven Energien des Populismus". Deshalb solle alles so weitergemacht werden im Sinne einer "offenen Gesellschaft". Der Präsident sprach dann noch von "Echoräumen", in welchen "einzelne oder Gruppen sich im Alleinbesitz der Wahrheit" sonnten. Lügenpresse-Rufer seien "Kommunikationsflüchtlinge", die in "Parallelwelten" wohnten, die man "hervorlocken" müsse.
Alles ist besser als die DDR!
Präsident Gauck ist offenbar davon überzeugt, dass die Deutschen "heute und hierzulande" in der fantastischsten aller Welten leben. Nun ist diese Sicht einem aus dem Amt scheidenden Präsidenten nicht zu verübeln. Er hat über fünf Jahre hinweg die Geschicke Deutschlands maßgeblich mitgelenkt. Gauck war vom ersten Tag an ein sehr politischer und gestaltender Präsident, der weitaus mehr tat als nur zu repräsentieren. Wer will ihm da verwehren, alles in etwas bunteren Farben zu zeichnen? Auch kann man verstehen, dass der Herr Bundespräsident in Verzückung gerät, wenn er das heutige Deutschland mit der DDR vergleicht, in der er seine erste Lebenshälfte verbringen musste.
Auf dem westlichen Auge blind?
Doch ausgerechnet er, der Präsident, dessen Agenda die Förderung der Freiheit war, vergisst dabei eines: über 64 Millionen Deutsche haben eben niemals in der DDR gelebt und erinnern sich an eine BRD der Freiheit, des Wohlstands und einer Presse, die unglaublich offen war. Der westdeutsche Diskurs dürfte einer der freisten der ganzen Welt gewesen sein. Von einer taz, die damals stramm linksradikal war bis zum "Kennzeichen D" im TV, das so rechts war, das es schon fast umkippte. Es wurde debattiert, dass die Bude nur so qualmte und Political Correctness kannte man nicht.
Verschiebung der Maßstäbe?
An der DDR gemessen ist das heutige Deutschland ein Hort der Freiheit. Aber im Vergleich zur alten BRD hat sich das, was man schreiben kann, ohne sanktioniert zu werden, doch sehr eingeschränkt. Da kann man schon mal seinen Job wegen seiner Gesinnung verlieren, wie es etwa dem Bild-Aushängeschild Nicolaus Fest aufgrund eines islamkritischen Leitartikels oder Wirtschaftswoche-Urgestein Roland Tichy wegen seiner Euro-kritischen Handlung widerfuhr. Das Wort "Lügenpresse" der russischen Propaganda in die Schuhe zu schieben ist zu billig. Propaganda vermag Samen zu säen, sie können jedoch nur aufgehen, wenn der Boden dafür bestellt ist.
Gauck übersieht das Eigentliche!
Das alles hat weniger mit Demokratie zu tun, sondern erinnert an eine Pädagogie. Dabei muss man nur den Blick über die Grenzen richten, um zu bemerken, dass es auch anders geht. Der Autor dieser Zeilen arbeitete lange Jahre im Nahen Osten, jetzt in den USA und schreibt nebenbei für Publikationen, die dem Bereich "solider Boulevardjournalismus" zuzurechnen sind. Ein Verlagshaus sitzt in Deutschland, das andere in der Schweiz. In Deutschland ist es kaum möglich, einen Beitrag durchzubekommen, der politisch rechts einer grünen Gesinnung angesiedelt ist. In der Schweiz ist das alles kein Problem, in den USA schon gar nicht. Nein, die deutsche Presse ist keine Lügenpresse, sie ist eine Lückenpresse, in der alles wahrhaft Konservative fehlt. Nur die Kollegen der "Jungen Freiheit" halten das Banner des Konservatismus hoch - und haben dafür als einzige Zeitung eine steigende Auflage. Alleine das sollte einem jeden schon ein Licht aufgehen lassen. So mag der Präsident die deutschen Kollegen loben. Richtiger wird ihr Tun dadurch nicht. Aber schön für sie, immerhin ist alles besser als die DDR.