Mit einem Vergleich über 450.000 Euro wurde nun ein jahrzehntelanger Rechtsstreit um einen der größten Justizskandale in der deutschen Rechtsgeschichte endgültig zu den Akten gelegt. Das Land Baden-Württemberg zahlt dem Justizopfer Harry Wörz eine Entschädigung in Höhe von 450.000 Euro. Dieser zwischen den Parteien ausgehandelte Vergleich wurde am 22. Dezember 2016 mit Beschluss des Landgerichts Karlsruhe rechtskräftig. Bisher wurden Wörz lediglich Zahlungen in Höhe von insgesamt 150.000 Euro zugestanden. Für die zu Unrecht erlittene Haft, den Verdienstausfall während der Haftzeit und die seit 2010 bestehende Arbeitsunfähigkeit forderte Wörz jedoch eine deutlich höhere Entschädigung. Nach einer ergebnislosen mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Karlsruhe im Juni 2015 konnten sich das Land Baden-Württemberg und die Wörz-Anwälte nun außergerichtlich einigen. Damit schließt sich nach knapp 20 Jahren ein Kreis, denn eben am Landgericht Karlsruhe nahm dieser Justizirrtum am 16. Januar 1998 auch seinen Anfang.
Der Fall Wörz - Was war passiert?
Am frühen Morgen des 29. April 1997 endete das "normale" Leben von Harry Wörz abrupt durch einen Anruf der Polizei Pforzheim. Dem gelernten Installateur und Bauzeichner wird mitgeteilt, dass "etwas mit Ihrer Frau passiert" sei und er umgehend auf dem Revier erscheinen solle. Beim Verlassen seines Hauses in Birkenfeld bei Pforzheim wird Wörz um kurz vor 6 Uhr von den bereits wartenden Polizisten überwältigt und verhaftet. Die von ihm getrennt lebende Ehefrau Andrea wurde wenige Stunden zuvor von deren Vater bewusstlos aufgefunden und wiederbelebt. Das Opfer überlebte eine Drosselung, ist seither aber ein schwerer Pflegefall und kann sich ihrer Außenwelt seither nicht mehr mitteilen. Polizei und Staatsanwaltschaft konzentrierten sich auf Harry Wörz als einzigen Tatverdächtigen und erreichten am 16. Januar 1998 ihr Ziel - Harry Wörz wurde vom Landgericht Karlsruhe wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.
Einseitige und tendenziöse Ermittlungen gegen Harry Wörz
Obwohl es Harry Wörz im Gegensatz zum Geliebten seiner damaligen Ehefrau an einem erkennbaren Motiv fehlte und zahlreiche Indizien gegen dessen Schuld sprachen, führte Wörz vor dem Landgericht Karlsruhe von Beginn an einen aussichtslosen Kampf. Sowohl das Opfer als auch dessen Vater und der Geliebte arbeiteten zum Tatzeitpunkt bei der Pforzheimer Polizei. Dass der Geliebte aufgrund seiner Affäre vor einer sehr kostspieligen Scheidung stand und damit ein sehr einleuchtendes Motiv hatte, interessierte damals weder die Staatsanwaltschaft noch die Richter - und am allerwenigsten dessen Kollegen von der Pforzheimer Polizei, die in diesem Fall "ermittelten".
Harry Wörz kam nach viereinhalb Jahren nur durch eine glückliche Fügung vorzeitig aus der Haft. Die Eltern seiner Ex-Frau forderten von Wörz die Erstattung der Pflegekosten für dessen Ex-Frau. Das Zivilgericht lehnte diese Forderung allerdings ab und verwies in seiner Urteilsbegründung auf zahlreiche Ungereimtheiten in den vorangegangenen Strafprozessen. Nach der Wiederaufnahme des Verfahrens erkämpfte Wörz im Jahr 2009 vor dem Landgericht Mannheim einen Freispruch erster Klasse. Nachdem der BGH die Revision der Staatsanwaltschaft Ende 2010 verwarf, ist Wörz seither endgültig rehabilitiert.
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