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Türkei: Ein Wellensittich fürs Vaterland!

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Über die Türkei zu berichten, war schon immer spannend. Doch seit dem obskuren Putschversuch und allem was danach folgte, ist es bemerkenswerter denn je, was man über Ankara hört. Kürzlich hat nun der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Bürger dazu aufgefordert, "Devisen unter dem Kopfkissen" hervorzuholen und in Türkische Lira oder gleich in Gold zu tauschen. "Mein liebes Volk", sagte der Präsident, "ich liebe euch für Allah. Wer Devisen unter dem Kopfkissen hat, soll sie in Lira oder in Gold umtauschen. Warum sollen wir die Devisen gewinnen lassen?" Die Devisen gewinnen lassen ist interessant. Wer bitte sind die Devisen? Der Präsident drückt sich entweder unklar aus, was untypisch für ihn wäre, oder aber er meint damit bestimmte Kreise. Wen, das wissen wohl nur seine Fans.

Absturz der Lira

Ganz irrational ist seine Sorge nicht. Gut 17% hat die türkische Lira seit Anfang 2016 gegenüber dem amerikanischen Dollar verloren, seit November geht es so richtig rasant talwärts. Anfangs erklärten Vertreter der Regierungspartei AKP den negativen Trend der türkischen Lira mit dem Sieg Donald Trumps. Doch die Märkte wollten dies nicht recht glauben. Schließlich hat sich Trump weder als scharfer Gegner der Türkei einen Namen gemacht, noch ist außer der Lira und dem mexikanischen Peso irgendeine Währung in den letzten Wochen so sehr abgeschmiert. Doch Erdogan wäre nicht Erdogan, hätte er nicht gleich einen anderen Schuldigen zur Hand. Laut Berichten von Welt/N24 sagte er: "Den Putsch, den sie mit ihren blutrünstigen Monstern nicht verwirklichen konnten, versuchen sie jetzt mit Zinsen, Devisen und an der Börse zu verwirklichen". Man wolle ihn, Erdogan stürzen und den Aufstieg der Türkei zur Weltmacht vereiteln. So hätten schon die Korruptionsermittlungen im Jahr 2013 und die Proteste am Gezi-Park im selben Jahr nur diesem Zweck gedient, so wie auch kritische Töne aus der EU in Sachen Flüchtlinge.

Erdogan-Fans im Tauschrausch

"So wie wir den Putschversuch mit Panzern abgewehrt haben, werden wir auch diesen Putschversuch mit den Devisen abwehren", diktierte ein Busfahrer den Kollegen der WELT. Er wolle, so der relativ arme Arbeitnehmer, gerne mehr umtauschen, aber mehr als 500 Dollar sowie 300 Euro habe er nun mal nicht. Die türkischen Zeitungen und Fernsehsender, die aus dem Putschversuch 'generalgesäubert' und auf Regierungskurs hervorgegangen sind, berichten fleißig über Initiativen engagierter Bürger. So biete in Anatolien ein Frisör einem jeden, der den Wechsel von 300 US-Dollar und mehr vorweisen kann, einen kostenlosen Haarschnitt oder alternativ eine Rasur. In Adana beglückt ein Krämerladen seine Kunden mit ganzen vier Kilo Kartoffeln oder Zwiebeln bei Nachweis eines Umtausches von 400 Dollar oder mehr. Im anatolischen Siirt bekommt man vom örtlichen Zoohändler einen ganzen Wellensittich für tausend getauschte Dollar. Und wer dem Wohl des Landes mit zweitausend Dollar sein letztes Hemd gibt, dem spendiert ein Steinmetz immerhin den Grabstein für lau.

Was ist der Sinn?

Nicht ganz so begeistert vom nationalen Geldtauschbefehl ist Sayek-Böke von der sozialdemokratischen Partei CHP. Sie war früher Mitarbeiterin der Weltbank und hat für die ganze Aktion wenig übrig. Gegenüber den Springer-Medien sagte sie in Anspielung auf Korruptionsvorwürfe gegen einige Mitglieder der Regierungspartei: „Sie sollten erst mal die Dollars aus ihren Schuhkartons umtauschen". Noch klarer wird ihre Parteigenossin Yasemin Cankurtaran: "Nach jeder Erklärung des Staatspräsidenten hat der Dollarkurs einen neuen Sprung gemacht". Für sie ist es "unvorstellbar", dass der Staatspräsident nicht wisse, welche Folgen solche nationalen Aufrufe an den Börsen hätten. "Ich denke, ergänzt sie, Erdogan "macht das absichtlich, um im Vorfeld des geplanten Verfassungsreferendums die Krise zu schüren". Wie so vieles bleibt auch dieser Aufruf Erdogans ein Fall mit Fragezeichen, auch für jene, die für sich selbst in Anspruch nehmen, erfahrene Nahost-Experten zu sein.

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